Schaffhauser Nachrichten, 15.12.2022
Am Mittwoch luden die SVP des Bezirks Andelfingen sowie die Interessengemeinschaft Pro Kulturland ausgangs Benken zu einer Medienkonferenz. Gemeinsam macht man gegen die «Versumpfungspolitik» der Zürcher Baudirektion mobil.
Alexander Joho
BENKEN. «Wir müssen den Druck politisch erhöhen und hoch halten, um aus diesem Schlamassel, das hier unten geplant ist, herauszukommen. » Der Benkemer Landwirt Peter Studer fand am Mittwochvormittag klare Worte. Worte, die an den Kanton Zürich beziehungsweise die kantonale Baudirektion unter der Leitung von Regierungsrat Martin Neukom (Grüne) gerichtet sind. Der Kanton Zürich plant, das ist seit April 2021 bekannt, 1300 Hektaren oder 1,8 Prozent der Landwirtschaftsflächen aus Gründen der Biodiversität in Moorergänzungsflächen zurückzuverwandeln; in Benken wären 20 bis 25 Hektaren betroffen. Dagegen hat sich nun doppelter Widerstand formiert. Einerseits streben sich die Zürcher Landwirte innerhalb der IG Pro Kulturland gegen das Vorhaben, andererseits hat die SVP im Bezirk Andelfingen eine entsprechende Petition lanciert, die Stand Mittwoch bereits 4000 Unterschriften aufwies.
«Das käme einer Enteignung gleich»
«Wir brauchen Ernährungssicherheit, funktionierendes Kulturland», erklärt der Marthaler SVP-Kantonsrat Paul Mayer an der Outdoor-Medienkonferenz vor versammelter Menge; gerade in Anbetracht der aktuellen globalen Krisensituationen und im Hinblick auf eine mögliche Lebensmittelknappheit. Eine Ausscheidung landwirtschaftlicher Nutzflächen als Feuchtgebiete, notabene ohne die Landwirte zu informieren, das käme einer Enteignung gleich. Mayer, der in der Zürcher Legislative zum gleichen Thema eine Parlamentarische Initiative eingereicht hat (s. Kasten rechts), streicht die Bedeutung des Kantons Zürich bei der Nahrungsmittelproduktion heraus: Hier befänden sich gemäss Statistik von 2018 15 Prozent der Schweizer Anbauflächen für Gemüse, 14 Prozent für Zuckerrüben, acht Prozent für Kartoffeln; von hier stammten fünf Prozent der Schweizer Milchproduktion.
In der Schweiz weise ein Landwirtschaftsbetrieb im Schnitt 21,1 Hektaren auf, so Mayer. Auf der in Benken ausgesteckten Fläche könnte man Kartoffeln anpflanzen, pro Hektare im Schnitt 43 Tonnen, Ernährung für theoretisch 344 Personen zu 2000 Kalorien pro Tag. Mayer fährt fort: «Sagt nun einem tollen Jungbauern, er solle aufhören, er dürfe keine guten Nahrungsmittel für uns herstellen.» Elmar Hüppi, Bauer aus Gossau und Vorstandsmitglied der Interessengemeinschaft, doppelt nach: Die Flächen seien ausgeschieden und im Geografischen Informationssystem (GIS) eingetragen worden, ohne auch nur einen einzigen Bauern darüber zu informieren, zu fragen oder abzuholen. Die bisherigen Leistungen der Zürcher Landwirte im Sinne der Biodiversität seien nie berücksichtigt worden: «Für die einen ist das zum Teil zu wenig, für die Bauern manchmal zu viel. Fakt ist: Wir waren nicht untätig in diesem Bereich, das wird nicht honoriert.»
1300 Hektaren, aus Sicht von Hüppi «Schicksal», alleine durch den Eintrag ein Wertverlust für die Bauern, da man irgendwann nichts mehr auf der Fläche produzieren könne. Die 1300 Hektaren – basierend auf dem Naturschutzkonzept von 1995, das 20 Jahre lang in der Schublade gelegen habe – entsprächen 40 landwirtschaftlichen Vollerwerbsbetrieben, die man mit einem Fingerwisch wegradierte. Wenn es um Autobahnen, Deponien, Radwege gehe, bediene man sich überall einfach bei der Landwirtschaft, so Hüppi: «Zusammen mit dem Ukraine- Krieg und der Ernährungssicherheit müssen wir langsam aufpassen, unsere fruchtbaren Böden nicht einfach wertlos herzugeben.» Der Kanton lasse mittlerweile mit sich reden, doch noch befinde man sich erst am Anfang der Gespräche.
Verhandlungen mit Amt unmöglich
Peter Studer, der die Benkemer Landwirte vertritt, erzählt, im Dorf sei jeder Betrieb betroffen: mit eigenem Land, mit Pachtflächen, zum Teil mit bis zu sieben Hektaren pro Betrieb. Es sei verständlich, dass man sich so in der Existenz bedroht fühle. Es handle sich um «bestes Kulturland», weit und breit kein Sumpf, kein Weiher, kein Tümpel – hier sei die Drainage bestens erhalten. «Im Sommer war hier unten alles grün, Kartoffeln, Zuckerrüben oder Mais. Am Hang gegenüber war’s klapperdürr, gabs nur die halben Erträge in so einem trockenen Jahr.»
Initiative zielt auf Änderung des Bauund Planungsgesetzes
MARTHALEN/ZÜRICH. Am 11. Juli reichte der Marthaler Kantonsrat Paul Mayer (SVP), zusammen mit den Ratskollegen Daniel Wäfler (SVP, Gossau) undErich Vontobel (EDU, Bubikon), eine Parlamentarische Initiative ein: Der Artikel 36 des kantonalen Bau- und Planungsgesetzes sei zu ergänzen. Der Artikel liest sich derzeit wie folgt: «Als Landwirtschaftszonen sind nach Bedarf Flächen auszuscheiden, die sich für die landwirtschaftliche Nutzung eignen oder im Gesamtinteresse landwirtschaftlich genutzt werden sollen.»
Die vorgeschlagene Ergänzung lautet: «Systemisch entwässerte landwirtschaftliche Nutzflächen sind in ihrer Fähigkeit zur Nahrungsmittelproduktion zu erhalten, und der langfristige Werterhalt der Drainagesysteme ist zwingend.» Der Kanton Zürich solle die langfristige Versorgungssicherheit gewährleisten, speziell die 44 000 Hektaren Fruchtfolgeflächen dürften nicht reduziert werden. 14 400 der heute 73 000 Hektaren landwirtschaftlicher Nutzfläche im Kanton Zürich seien systematisch entwässert. «Auf diesen Flächen wird immer noch ein markanter Anteil unserer Nahrungsmittel produziert. Der Erhalt der Fruchtbarkeit dieser Böden ist daher mit Blick auf die Zukunft sehr wichtig. Von zentraler Bedeutung sind dabei die Drainagen, welche die Entwässerung der Böden sicherstellen.» Das Geschäft ist derzeit noch beim Regierungsrat pendent. (ajo)
Mit dem Amt für Landschaft und Natur (ALN) könne man nicht verhandeln, sagt Studer. «Da hält keiner den Kopf hin. Keiner will sich die Hände verbrennen, die haben alle Angst voreinander und davor, man könnte im selben Amt etwas falsch machen.» Umso dankbarer sei man für den Einsatz der SVP und der IG Pro Kulturland.